Eigentlich wollten wir gar nicht nach Lucca, damals, im März vor 20 Jahren…
Aber auf dem Weg von Florenz nach Viareggio leuchteten auf der Autobahn Warnsignale am Armaturenbrett auf. Nächste Ausfahrt: Lucca Est.
Kurz darauf hielten wir auf der Piazza vor dem Duomo di San Martino und öffneten die Motorhaube. Dampfschwaden stiegen in den hellblauen Frühlingshimmel auf.
Wenn so etwas südlich der Alpen passiert, dann dauert es oft nur ein paar Sekunden und schon tauchen zwei oder drei hilfsbereite Italiener auf, die sich der Sache annehmen. In diesem Falle füllten sie Wasser nach und wiesen uns den Weg zur nächsten Citroën-Werkstatt.
So kam es, dass wir unverhofft in Lucca festsaßen. Für das Auto musste ein Ersatzteil bestellt werden, erklärte uns Signore Martellacci in der Werkstatt. Wir nahmen uns ein Hotelzimmer im Albergo Diana.
Einer der schönsten Plätze der Toskana
Lucca im März, ganz ohne Hektik. Wir tranken Espresso auf der Piazza dell’Anfiteatro, die oval ist und überdimensioniert wirkt. Früher war hier eine römische Arena. Der Platz ist umbaut von Häusern in hellen Naturtönen mit den für die Region typischen grünen Fensterläden und Schatten spendenden Rundbögen im Erdgeschoss.
Gegenüber der Porta Santa Maria mieteten wir Fahrräder und fuhren im Schneckentempo auf der vollständig erhaltenen, über 4 Kilometer langen Stadtmauer rings um das Centro Storico. Von Bank zu Bank, von schöner Aussicht zu schöner Aussicht. Um die Mauer herum zieht sich ein breiter grüner Streifen, der unbebaut ist und das moderne Lucca auf Abstand hält.
Beim Blick auf das alte Lucca fällt immer wieder die Torre Guinigi auf, ein Ziegelturm aus dem 14. Jahrhundert. Er ist 44 Meter hoch und dominiert das Stadtbild auch aufgrund der Bäume an seiner Spitze. Es sind jahrhundertalte Steineichen, die hier würdevoll über Luccas Dächern thronen. 230 Stufen führen zu Ruhe und einem Rundblick über die Stadt und die Landschaft der Toskana.
Zeit für die kleinen Dinge des Lebens
Wir ließen uns treiben. Auf dem Corso Garibaldi blühten die Magnolien. In der Via del Fosso plätscherte das Wasser im schmalen Kanal. Wir saßen auf dem Mäuerchen und lauschten.
Wir bummelten durch die Gassen, nahmen uns für fast jedes Schaufenster Zeit und kauften Buccellato, süßes Brot mit Anis und Rosinen, typisch für Lucca.
Wir besuchten die Kirche San Ferdiano, dessen Fassade ein goldenes Mosaik zeigt. Und natürlich den Duomo mit seiner großen Vorhalle. Hier befindet sich ein kleines Labyrinth an der Wand, nur etwa 50 cm breit, das mochte ich besonders.
Beim Zurückbringen der Räder entdeckten wir an der Piazza Santa Maria die Trattoria Da Vasco. Hier kehrten auch Einheimische ein. Gemüsesuppe, Pasta, Vongole. Wir kamen täglich wieder.
Im Palazzo Cenami besuchten wir eine Ausstellung. Dann meldete sich Signore Martellacci. Das Auto fahre wieder!
Und so verließen wir Lucca, die Stadt, die wir eigentlich gar nicht hatten besuchen wollen, und die uns nun auf so wundersame Weise drei Tage Entschleunigung geschenkt hatte.
Ein Besuch auf dem Mercato Antiquario
Viele Jahre später kam ich auf der Durchreise für einen Tag zurück nach Lucca. Es war Juni und auf einigen Plätzen der Altstadt fand der Mercato Antiquario, der Antiquitäten-Markt, statt. Ich kaufte zwei fünfarmige Kerzenständer, die seither auf der Fensterbank im Wohnzimmer stehen und mich jeden Tag daran erinnern, wie entspannt es sich in Lucca sein lässt.